
Die Architektur (1)
Was ist ein Bauwerk und wozu dient es? Ganz zu Anfang der Gegenwart des Menschen auf der Erde, war ein Bauwerk vor allem als Schutz vor Witterungseinflüssen, wilden Tieren oder möglichen Feinden erschaffen. Diese Funktion ist es, die die menschlichen Konstruktionen oder jede andere Form natürlicherer Bauten, während sehr langer Zeit erfüllt haben.
Nur Bauwerke, die geistige oder religiöse Funktionen erfüllen sollten, waren anders gestaltet. Mit Beginn solcher Konstruktionen auf der Erde, sah man den Begriff der Ästhetik oder der Ornamentik in Erscheinung treten. Zwar konnte sich dieser Begriff bereits auf den üblichen Lebensraum beziehen, das war aber viel seltener. Das, was während langer Zeit den menschlichen Wohnraum geprägt hat, ist vor allem seine nützliche Seite, nämlich seine Solidität und seine Fähigkeit des Schutzes. Hingegen manifestierten sich in der Konstruktion, die dem Heiligen gewidmet war, ein Sinn, der mehr künstlerisch war; dort begann sich der Mensch auf kreativere, nicht zweckbetonte Weise auszudrücken. Man beachte hier, dass das „Nicht-Zweckbetonte“ eher zu einer Form ästhetischer Kreativität einlädt, auch wenn es nicht zwingend so ist. Viele Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs konnten schon sehr früh in der menschlichen Geschichte, in reichem Maße verziert werden.
Aus diesem Grund, scheint die Verbindung zwischen dem Heiligen und der kreativen Kunst oder Ästhetik sich zu behaupten, wenn es sich um den Bau oder die Architektur handelt. Mittels eines Baus, der für eine religiöse oder spirituelle Nutzung bestimmt war, schien der Mensch eingeladen zu sein, diesem ursprünglichen Gedanken, diesem Ziel oder dieser Funktion, durch die Kunst zu folgen. Die Kunst schien auf konkrete, greifbare Weise, die „konstruktive“ Sprache darzustellen, die dieser Art von Bauwerken Gestalt geben konnte. Später weitete sich diese Sprache auch bis auf die nicht heiligen, nicht religiösen Bauwerken aus, in erster Linie auf diese, die im Dienst des Königtums standen, und auf all diese, die die öffentlichen Angelegenheiten, den Staat, die Macht betrafen. Mit Bezug auf die anwachsende Besiedelung des Menschen auf der Erde und dem Zustrom von materiellen und finanziellen Mitteln für eine größere Anzahl, wollten viele Personen, die nicht unbedingt zu den herrschenden Klassen in der Gesellschaft gehörten, auch an den Bauten ihrer Wohnungen ästhetischere, künstlerische Kriterien anbringen. Diese Gesinnung wurde auch durch die Tatsache angeregt, dass innerhalb der Städte oder anderer Ballungsgebiete nun eine größere Sicherheit herrschte.
Aufgrund dieser Bewegung waren das Heilige und das Künstlerische oder Ästhetische nicht mehr untrennbar miteinander verbunden, was auch einen großen Einfluss auf die Art der Ästhetik oder den künstlerischen Wert hatte, der in der Konstruktion eingesetzt wurde. Man probierte plötzlich andere Formen und andere Arten der Ornamentik aus, die mehr mit der Erde oder dem Menschen verbunden waren, sogar mit dem Sozialstatus von ihm, seinen Verdiensten, usw.
Neben dieser eher ästhetischen, ornamentalen Entwicklung, gab es den Einsatz von Baumaterialien. Über lange Zeit gehörten natürliche Produkte aus dem Erdreich oder manchmal aus dem Tierreich dazu. Man benutzte daher Erde, Stein, Holz, getrocknete Pflanzen wie Schilfrohr, verschiedene Gräser, Baumwolle und manchmal Wolle oder Leder. Erst vor kurzer Zeit hat man damit angefangen, andere Materialien zu benutzen, die aus der Erdölindustrie oder ganz einfach aus der Chemie stammen. Sogar die natürlichen Materialien erfuhren plötzlich eine denaturalisierende Behandlung, um eine längere Haltbarkeit zu garantieren, um sie zu stärken oder um sie zu „verschönern“.
Abschließend lässt sich sagen, dass das, was Jahrhunderte und Jahrtausende für den Bau von Wohnungen oder anderen Gebäuden unterschiedlicher Nutzung in Betracht gezogen wurde, ihr Standort war. Dieses Kriterium des Standortes war sogar das Kriterium Nr. 1, das vor allem anderen stand. Warum? Weil der Begriff des Heiligen, allgegenwärtig im Bewusstsein und dem Leben des Menschen bis zum 19. Jahrhundert, mit einer Form der instinktiven Weisheit einher ging. Diese Weisheit, dieses instinktive Wissen führte den Menschen dazu, die Bauplätze entsprechend der zu erbauenden Wohnstätte, aber auch entsprechend der Verwendung, für die sie gemacht werden sollte, auszuwählen.
Das heißt, dass ein Tempel oder eine Kirche einen Standort brauchte, dessen Wahl auf bestimmten Kriterien beruhen musste, und dieser einer menschlichen Bleibe, auf anderen Kriterien. Abgesehen davon bestand der gemeinsame Punkt aller Bau- und Wohnformen in der Tatsache, dass der gewählte Standort nicht von negativen Energien durchströmt sein durfte, seien sie hervorgerufen durch unterirdische Strömungen, durch Wasser, Wind oder Ereignisse, die an diesem Platz, in seiner direkten Umgebung stattfanden.
Der moderne Mensch berücksichtigt oft nur wenig oder sogar nicht mehr die Kriterien, die von hoher Wichtigkeit von einem Menschen der Vergangenheit angesehen wurden, sei es bei der Wahl des Ortes, der Form, der Verzierung oder der Baumaterialien. Seit noch nicht einmal 100 Jahren hat sich alles grundlegend geändert, und derzeit scheint das einzige Kriterium meistens auf dem Geld zu beruhen, den Kosten des Standortes oder der Konstruktion. Ist dies ein gültiges Kriterium, oder zeigt das, dass der Mensch die Kenntnis der wichtigeren, wesentlicheren Kriterien verloren hat?
Mother