Malerei (1)

Wie viele Bereiche der Kunst, erlebt die Malerei derzeit eine Form der Müdigkeit, ein auf der Stelletreten, trotz des Anscheins. Natürlich malt und zeichnet man weiter und integriert sogar Materialien, die eher an das Skulpturenherstellen erinnern, wie Ton, Sand oder sogar Beton, oder sogar Stahl. Aber diese Originalitäten, diese Neuerungen verstecken im Grunde das eigentliche Problem: Ein Mangel an tiefer oder besser, an höherer Inspiration. Es mangelt also nicht an Originalität, vor allem nicht in diesem Bereich, und dennoch gehen die Dinge nur selten über die beiden Dimensionen hinaus, die, symbolisch gesprochen so charakteristisch sind, für diese Form der Kunst. Denn, was ist es, das fehlt?

Es fehlt ganz einfach das Phänomen, sich ergriffen zu fühlen von einem Schauer, dem Gefühl, vor etwas zu sein, das scheinbar aus einer anderen, subtileren, reineren Welt, jenseits der sichtbaren Realität stammt. Die Bilder, die uns die Maler oder Zeichner zeigen, können schön, erstaunlich, neu sein, aber sie sind quasi nie von dieser künstlerischen Qualität durchdrungen, die die Werke der großen Maler der Vergangenheit so oft charakterisierte. Und diese künstlerische Qualität von damals, worum handelt es sich da genau?

Die wahren großen Maler der Vergangenheit waren in der Lage, eine subtile Energie, ein Licht zu erfassen, das die Wesen und Dinge umgibt, und es vor unseren Augen sichtbar zu konkretisieren. Das war ihre Größe, ihr außergewöhnliches Können, das die anderen nicht haben. Diese Energie, diese Form der Helligkeit, findet sich tatsächlich außerhalb dieser physischen, greifbaren Welt. Man kann sie um Wesen von großer moralischer Erhabenheit spüren, um Weise oder wahre Mystiker, aber im Prinzip ist sie für unsere irdischen Augen nicht sichtbar. Die Maler des Mittelalters versuchten manchmal, diese unsichtbare Realität auszudrücken, indem sie auf ihren Gemälden einen Heiligenschein um den Kopf der betreffenden Personen malten, aber im Grunde war es eher ein sichtbares Symbol, das nicht unbedingt das Licht veranschaulicht, um das es sich wirklich handelt. Rembrandt war es, der diese psychische Leuchtkraft, dieses Licht am bewusstesten versucht hat in seinen Gemälden auszudrücken, da, wo andere vor ihm, wie Leonardo da Vinci oder Michel-Angelo dieses Licht auf mehr unbewusste Weise ausdrückten, sozusagen mehr „natürlich“. Diese subtile Energie, dieses Licht ist eine Realität, aber zuerst in der Welt, zu der es gehört, das heißt in der unsichtbaren Welt. Um es sichtbar zu machen, und das ist die Herausforderung für die Maler der Zukunft, ist es notwendig, zuerst daran zu glauben, dann zu versuchen, sich mit ihm, in sich, zu verbinden, es zu leben.

Die neue Malerei, die Bilder der Zukunft, werden von diesem spirituellen, Göttlichen Licht imprägniert, vorausgesetzt, die Maler streben ernsthaft danach, es durch einen spirituellen Weg und eine innere Haltung von hoher Moral, kennenzulernen. In ihren Werken wird dieses nicht greifbare Licht wieder ersichtlich sein, das Wunder zum Wohle der ganzen Welt bewirken kann.

Mother

Hoffnungsschimmer – Alain Béral