
Malerei (2)
Was wird in Zukunft die Herausforderung für die Malerei sein, die es herauszustellen gilt ? Um dies herauszufinden, ist es zunächst erforderlich, einen Blick auf die bisherigen Geschehnisse in diesem Bereich zu werfen, und die Bewegung und die Entwicklung dieser Kunstform im Laufe der Geschichte zu erfassen. Im Grunde genommen stammt das Gemälde, wie wir es kennen, aus einer relativ nahen Vergangenheit. Es war am Ende des Mittelalters, als es wirklich in Erscheinung getreten ist. Zuvor hat man auf Wänden, und in einer noch ferneren Vergangenheit auf Felsen gemalt. Mit dem Erscheinen des Gemäldes entwickelten sich die äußere Form des betreffenden Werkes, sowie die angewendete Technik immer weiter, während man sich bis dahin mit einfacheren Formen und bescheideneren, weniger komplexen Techniken zufrieden zu geben schien. Woher kommt das ?
Der Grund hierfür ist, dass die Menschheit bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts nicht die physische, sichtbare Realität erlebte, wie wir dies in unserer Zeit, im 21. Jahrhundert tun. Die Darstellung der sichtbaren Welt in einer Zeichnung oder einem Gemälde oder sogar durch römische Mosaike, hatte für den Menschen von damals nicht dieselbe Bedeutung wie für den modernen Menschen. Während langer Zeit im Laufe der menschlichen Geschichte, war die äußere Form das Spiegelbild, die Erinnerung an eine andere Realität, diese Unsichtbare ; und weil Letztere das Wichtigste war, konnte sich die äußere Form damit zufrieden geben, einfach zu bleiben, weniger ausgearbeitet zu sein. Das, was der Mensch in der Vergangenheit über die Zeichnung und das Malen sah, bezog sich auf eine viel umfassendere Idee, als das sichtbare Spiegelbild, das er vor Augen hatte. Zum Beispiel stellte das Bild eines einfachen Menschen im Grunde « die Menschen », « Die Menschheit » dar, weil man noch nicht so individuell gedacht hat, wie es heute der Fall war. Alles in allem drückte das Bild etwas Universelleres, oder sagen wir, Kollektiveres aus.
Nach der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, haben diese Art, die Dinge zu verstehen und dieser Bewusstseinszustand sich entwickelt, und viel präzisere und mehr individuell gestaltete Gemälde sind in größerem Umfang in Erscheinung getreten. Die Wandfresken wurden nach und nach durch das ganz einfache Gemälde ersetzt, auf welchem sehr unterschiedliche, immer aufwändigere Bilder gemalt wurden, und profane Themen wurden ebenso wichtig wie religiöse Themen. In dieser neuen, unterschiedlicheren, präziseren, oder sagen wir mehr ausgearbeiteten und komplexeren Herangehensweise, gewann auch die Technik an Boden, und mit ihr wurde das verwendete Material perfektioniert. Nach und nach wurde das Ziel, das man sich setzte, einen sehr hohen Grad an äußerer Perfektion im Bereich der Form zu erreichen, während zuvor die Idee durch weniger ausgearbeitete Formen erfasst werden musste. Die Idee resultierte aus der Absicht des Malers, seiner Liebe gegenüber dem, was er in die Welt bringen wollte, und dies war es, was diejenigen spürten, die ihren Blick auf die betreffenden Bilder richteten.
Mit der Perfektionierung der Form wurde sich mit neuen Themen auseinandergesetzt, dem Portrait, dem Still-Leben, Szenen des Meeres oder des Krieges, sogar wissenschaftliche, botanische oder andere Zeichnungen, bis hin zu Zeichnungen, die Bilder darstellen, die aus der Welt der Industrie gezogen wurden, und allem, was den mechanischen Fortschritt betraf. Alles wurde immer präziser, komplexer, bis ins kleinste Detail. In dieser Welt, in der die äußerliche Perfektion sich immer mehr durch setzte, fühlten sich andere Maler dazu berufen, einen Weg in eine scheinbar entgegengesetzte Richtung einzuschlagen, entweder um den Kontakt mit der zuvor vorherrschenden Richtung nicht zu verlieren oder um wieder mit ihr Kontakt aufzunehmen.
Dies bedeutet, es ist die Anwesenheit des Lichtes, die gleichsam versuchte, durch Maler wie z.B. Michelangelo oder Rembrandt oder auch W. Turner zu Wort zu kommen. Jeder von ihnen richtete seinen Blick auf seine Weise, auf die Innenseite von dem, was auf der Leinwand zum Ausdruck kam, durch eine lichtvolle Gegenwart. Man sah Perfektion in der Form in Berührung kommen, mit strahlendem, blendendem oder zumindest vorhandenem Licht, wie zwei entgegengesetzte Pole, die versuchten, ein Gleichgewicht zu halten. Nichtsdestotrotz ist es die Formseite, die im Allgemeinen lange die Oberhand behalten hat, um im 20. Jahrhundert der Originalität, dem Kind des freien Ausdrucks Platz zu machen. Was das Licht angeht, so wurde es auf technischer Ebene platziert, fast als Unterteilung des Formbereichs. Man stellt es irgendwo in der Zeichnung als Ganzes dar und meistens hört es da auf. Aber ist das wirklich alles? Reicht es aus, ihm einen Platz zu geben, wie wir es für den Horizont oder ein Fenster oder eine zentrale Figur tun würden? Hat es nicht eine andere Rolle zu spielen, seine eigene Rolle?
Alles hängt davon ab, was wir unter dem Wort „Licht“ verstehen: Spricht man über das Tageslicht, sozusagen über ein physisches Licht, oder will man sich in Bezug auf inneres Licht ausdrücken? Derzeit bezeichnet der Begriff „Licht“ auf dem Gebiet der künstlerischen Malerei meist ein physisches Licht, das mit bloßem Auge sichtbar ist. Hingegen betraf die Suche der bereits erwähnten Maler eine andere Form des Lichts, von innerer Ordnung, spirituell, wenn man so will. Nachdem die größte Vollkommenheit in der Form erreicht und diese Form in sehr hohem Maße zugunsten eines nahezu unbegrenzten freien Ausdrucks aufgegeben wurde, ist es nicht an der Zeit, die Forschung auf dem Gebiet des Lichtes fortzusetzen, da, wo diejenigen, die uns vorausgingen, aufgehört haben ? Und diese Forschung, wie kann man sie durchführen, wenn sich weder die äußere Form noch das sichtbare physische Licht als Träger dieser unfassbaren Realität eignen? Vielleicht ist es das Phänomen der Farbe, das uns zur Antwort und zu einer neuen Zukunft der Malerei führt.
Mother
Die Schöpfung des Menschen – Michel-Ange Landschaft mit einer Steinbrücke – Rembrandt Seeleute laden Kohle im Mondschein – Turner